Zukunftsgestaltung. Kreativität und Phantasie – Ideen, gemeinsame Visionen und echte Veränderung. Zukunftswerkstätten – gestern, heute und morgen. Wo steht die Zukunftswerkstatt, was ist der (Marken-)Kern und wie muss/wollen wir ihn heute zum Leben erwecken? Methodenvielfalt & Methodenabgrenzung, modernes Wording, Fragen an die Haltung, was passiert drum herum? Hier im Webinar sind verschiedene Themen bearbeitet worden. Sandra Pienta, Robin Loh und Lars Meyer führten durch die spannenden 90 Minuten.
A) Die Geschichte des Netzwerkes und seine Kompetenz
Eine Übersicht der Jahrestreffen mit ihren inhaltlichen Inputs und Perspektiven zeigte die enorme Kompetenz, die rund um das Netzwerk sich weiterentwickelt. Anhand der Zusammenstellung von Meyer (2019, S.53) wurde die große Bandbreite der Themen, Strukturen und Handlungsfelder mit ihren darin zu findenden Entwicklungen dargelegt. (siehe auch hier im Anhang)
B1) Die großen Ziele der Zukunftswerkstatt heute: Politisierung, Zukunft, Demokratisierung (Bericht aus der Breakout-Session von Sandra Pienta)
Die Breakout-Session widmete sich drei zentralen Themenfeldern, die aktuell die Ausrichtung und Weiterentwicklung der Methode der Zukunftswerkstatt prägen: Politisierung, Zukunft und Demokratisierung. In einem intensiven Dialog wurden Herausforderungen, Chancen und notwendige Weiterentwicklungen reflektiert.
Politisierung: Verantwortung fördern – Strukturen anbieten
In der Diskussion wurde deutlich, dass Zukunftswerkstätten heute stärker denn je Orte sein müssen, an denen politische Verantwortung eingeübt und gestärkt wird. Der gesellschaftliche Druck, Konflikte zu lösen und Verantwortung nicht allein an Institutionen zu delegieren, wächst. Zukunftswerkstätten können hier eine Brücke schlagen: Sie bieten Struktur, ermöglichen Orientierung und schaffen Räume, in denen Bürger*innen sich nicht nur äußern, sondern aktiv Verantwortung übernehmen können. Dabei wurde betont, dass Selbstermächtigung und das „An-die-Hand-Nehmen“ keine Gegensätze sind, sondern sich in gut gestalteten Prozessen ergänzen.
Zukunft: Räume öffnen – Begriffe neu denken
Ein zentrales Anliegen war die Feststellung, dass es nach wie vor viel zu wenige Räume für Zukunftsdialoge gibt. Zukunftswerkstätten bieten einen solchen Raum – doch auch sie müssen sich weiterentwickeln. Die Rückeroberung des Zukunftsbegriffs wurde eingefordert: weg von technokratischer Verengung hin zu einem breiten, systemischen Verständnis, das Transformation, Komplexität und interdisziplinäre Perspektiven einschließt. Dabei wurde diskutiert, wieviel Kritik – insbesondere in der Kritikphase – zugelassen werden kann oder soll, insbesondere auch im Spannungsfeld zwischen den Beteiligten und den Auftraggebenden. Einigkeit herrschte darüber, dass konstruktive Kritik und das anschließende Clustern der Beiträge als partizipativer und demokratischer Akt verstanden werden sollten – als wichtiger Bestandteil eines kollektiven Gestaltungsprozesses.
Demokratisierung: Beteiligung ernst nehmen
Partizipation, kritische Reflexion und demokratisches Miteinander wurden als Kernanliegen der Zukunftswerkstätten bekräftigt. Gerade angesichts zunehmender gesellschaftlicher Spaltung wurde die Bedeutung inklusiver Beteiligungsprozesse hervorgehoben. Diese müssen jedoch nicht nur symbolisch, sondern wirksam sein. Die Diskussion kreiste um die Frage, wie echtes politisches Interesse seitens der Politik und der beteiligten Akteur*innen gestärkt werden kann. Dabei wurde die Rolle von Bürgerräten als mögliche Ergänzung oder Erweiterung zu Zukunftswerkstätten genannt – als Form gelebter Demokratie mit echtem Einfluss auf politische Entscheidungen.
Fazit
Die Diskussion in dieser Breakout-Session hat eindrucksvoll gezeigt, dass Zukunftswerkstätten als methodischer und sozialer Raum weiterhin hohe Relevanz besitzen – gerade in einer Zeit politischer, ökologischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Damit sie dieser Rolle gerecht werden können, braucht es jedoch eine bewusste Weiterentwicklung: mehr Mut zur Politisierung, mehr Raum für systemisches Zukunftsdenken und eine ernst gemeinte Demokratisierung der Beteiligungsformate. Zukunftswerkstätten sind keine neutralen Moderationsformate – sie sind Orte, an denen gesellschaftliche Aushandlung, kritisches Denken und gemeinsames Gestalten möglich werden.
Ergänzendes findet sich bei Meyer (2019, S. 49 und 166)
B2) Die Phase 0 und ihre Bedeutung für einen größeren Prozess (unter Moderation von Robin Loh)
Die ZW findet heute unter neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Handlungsfeldern ihren Ort. Dabei hilft der Blick auf die Einbettung der ZW in ihren Kontext – wir werfen einen Blick auf den Anfang und die Vorbereitung:
🔹 Was ist unser Auftrag?
🔹 Welche Ziele wollen wir setzen?
🔹 Mit welchem Mandat gehen wir voran?
Hier wurden in der Gruppe diese Fragen entwickelt, daran entlang diskutiert und für die einzelnen Handlungsfelder und Zukunftswerkstätten versucht, Antworten zu finden.
| Sind die Ziele des Auftraggebers und der Teilnehmenden der ZW identisch? |
| Wer ist mein Auftraggeber? |
| Spricht der Auftraggeber für die Organisation? |
| Sind die Ziele von Auftraggeber und Organisation identisch? |
| Welche Organisation steckt dahinter? |
| Wer hat welche Entscheidungskompetenz? |
| Wer hat welche Rolle in der Vorbereitung und Durchführung? |
| Wie wird mit den Zielen weitergearbeitet? Wer darf die Zielen einsehen? Wer entscheidet, wie mit den Zielen weitergearbeitet wird? |
| Was sind die Ziele der Zukunftswerkstatt? Was sind die Ziele des Auftraggebers? |
| Ein gemeinsames Verständnis von Zukunftswerkstätten schaffen. Auftraggeber und Teilnehmende wissen oft nicht, was die Zukunftswerkstatt auszeichnet. |
| Programm und Ablauf mit dem Auftraggeber abstimmen. |
| Kann jeder an dem Tag, zu der Uhrzeit teilnehmen? |
| Machtungleichheiten unter Teilnehmenden müssen bedacht und ggf. angesprochen werden. |
| Ist die Kommunikation für jeden verständlich? Fühlt sich jeder angesprochen? |
| Wie sind die Räumlichkeiten? Sind die Räumlichkeiten für jeden erreichbar und betretbar (Stichwort Inklusion)? |
| ….. |
…….wie wird diese Phase dann sinnvoll gestaltet? Hierzu finden sich bei Meyer weitere Gedanken(vgl. Meyer 2019, S. 58)
B3) Kritik – Phantasie – Verwirklichung – die drei Kernphasen (unter Moderation von Lars Meyer)
Kritik – Fantasie – Verwirklichung bleiben die drei Kernphasen der ZW – sie folgen einem erkenntnistheoretischem Dreischritt….
🔹und ihr Wording…wie müssen wir sie in welchem Einsatz benennen, damit sie unsere intendierte Wirkung entfalten können?
In dieser Gruppe wurde die Zukunftswerkstatt in ihren Phasen beleuchtet. Auf der Basis der letzten Jahrzehnte und der Integration und der Anlehnung an und aus unterschiedlichen Handlungsfeldern, Methoden, Formaten und auf die Zukunft ausgerichteten Verfahren bietet die Zukunftswerkstatt aus dem Zukunftswerkstattnetzwerk vielfältiges. Die inhaltlich-fachlichen Weiterentwicklungen heute bei der Einbeziehung dieses breiten Kompetenzfeldes erweitert die Optionen für die Praxis und aber auch theoretische Bezüge. Dabei ist allerdings in einen ersten Schritt festgestellt worden, dass die 3 Kernphasen in ihrer Ausgestaltung elementar bleiben. Auch die Begrifflichkeit fand den Anklang für eine Fortführung. Nichtsdestotrotz gab es Anwendungsfelder wo die Frage gestellt wurde, ob Begriffe wie Perspektive, Vision, Handlung, für die entsprechende Zielgruppe in deren Verständnis und für das Handlungsfeld besser sein können und dementsprechend auch anzuwenden sind. Gerade mit den Vorstellungen von Fantasie bei den unterschiedlichen Gruppen und impliziter Widerstände zeige die Notwendigkeit gegebenenfalls zu adaptieren, um nichts destotrotz dem Gesamtprozess in seiner Metazielausrichtung treu bleiben zu können (vgl Stadtteilentwicklungen, Sozialplanung, Organisationsentwicklungen, lernende Strukturen etc).
Die aus der außerparlamentarischen Opposition der 1960er Jahre als Gegenentwurf für eine menschengerechte Zukunft von unten heraus entwickelte Zukunftswerkstatt und ihrem Utopie Begriff ist allerdings heute unter neuen Diskursen Rechnung zu tragen. Die Begriffe Utopie und Zukunft in der Forschung sind unterliegen auch einem gesellschaftlichen Transformationsprozess. Die Utopie- oder auch Phantasiephase sind im gesellschaftlichen Wandel. (Sub-)kulturelle oder auch interaktionistisch verstandenen Verständigungsgemeinschaften und der Wandel der Lernverständnisse lassen die Phasen der Zukunftswerkstatt heute neu verorten. Um wirksam werden zu können, z.B. Kreativität, Spass und Phantasie im Wechselspiel mit Analytik und die Bindung an Kernkompetenzen der ZW wie z.B. im Sinne des In-Handeln-Kommen und nicht gebunden an „ferne“ Theorien, ist die Phantasiephase im Prozeßverständnis einer Gruppe zu fassen.
In dieser Diskussion sind somit verschiedenen Aspekte miteinander verglichen worden. Die 3 Kern Schritte der Zukunftswerkstatt als elementarer erkenntnistheoretische Dreischritt wurden aber festgehalten. Angewendet auf das Feld der Zukunftswerkstatt als permanente Werkstatt heissen die damit verbundenen Paradigma:
*Kritikphase – („Keine Kritik um ihrer selbst willen“) – Rekonstruktion
*Phantasiephase – („Es könnte auch ganz anders sein, keine Veränderung ohne Vision“) – Dekonstruktion
*Verwirklichungsphase – („So viel eigenständige Konstruktion wie nur möglich, kein Handeln ohne die Kraft der Phantasie“) – Konstruktion
Diese Betrachtung schafft Möglichkeitsräume, um die Zukunftswerkstatt als elementare Form der Zukunftsgestaltung in demokratisch-solidarischer Verständigung einen Rahmen zu bieten, der den großen Zielen von damals in ihrem Kern übersetzt auf die heutige Zeit und damit treu zu bleiben. (vgl dazu auch Meyer S.108)
Die Diskussion wird weitergeführt.

